DFG Graduiertenkolleg 1608 / 1 Selbst-Bildungen. Praktiken der Subjektivierung in historischer und interdisziplinärer Perspektive

Roman Eichler

Promotionsprojekt

"Urbane Sportsubjekte - sportive SelbstBildungen und der urbane Raum"
(Arbeitstitel)

Abstract

Die Akteure von Praktiken wie Skateboarding, BMX- und Inlinerfahren, Parkour, Cross-Golf oder Urban Climbing haben die räumlich eingehegten, institutionalisierten Sportstätten verlassen, übertreten deren tradierte Bewegungsprogramme und bewegen ihre Körper mit neuen Gesten, Ritualen und Darstellungsformen im öffentlichen urbanen Raum. Eingefahrene Subjektformen wie in Institutionen, z.B. Schule oder Verein, existieren in diesen Spiel-Räumen des informellen Sports noch nicht. Diese neuen Sportkulturen sind insofern ein besonderer Bereich, als sich hier Subjekte und Räume im Fluss befinden. Die Praktiken erscheinen als ein Experimentierfeld, in dem neue Weisen der Selbst-Bildung erprobt werden und neue Subjektformen im dynamischen Zusammenspiel von Körper, Raum und Artefakten konkrete, also beobachtbare Gestalt annehmen.

Vor diesem Hintergrund lauten die Leitfragen meines Promotionsprojekts: Welche Subjektformen etablieren sich in diesen neuen Sportpraktiken im städtischen Raum? Und welche Beziehungen zeigen diese Praktiken zum gesellschaftlichen Kontext sowie zu dort bereits existierenden Subjektformungen?

Mit der praktischen Erprobung und Ausarbeitung der Subjektformen des informellen Sports werden zugleich die Handlungsmöglichkeiten der städtischen Räume ausgelotet, erweitert und umcodiert. Die Frage nach der Etablierung eines kreativen, risikobereiten 'urbanen Sportsubjekts' ist also immer mit Blick auf den besonderen Anteil von Körpern, Artefakten und Räumen dieses Prozesses zu lesen.

Aufgrund des kreativen und transformierenden Charakters dieser Selbst-Bildungspraktiken ist es nicht ausreichend, sie als orthodoxe Umgangsweisen mit dem Raum oder als bloße Aneignungen eines gegebenen Raumes zu behandeln die auf klar definierten Raum- und Handlungsprogrammen beruhen. Stattdessen ist es notwendig, sie als performatives 'doing space' und als sich (fort-) bewegendes Interaktionsgeschehen auszuarbeiten; eigensinnig, aber situiert im Kontext städtischer Räumlichkeit. Mit den urbanen sportiven Praktiken etabliert sich ein Zusammenspiel, in dem 'die Stadt' oder 'der urbane Raum' zu einem bedeutsamen Element individueller Selbst- und Weltverhältnisses wird. Die Transformation der individuellen habituellen Strukturierungen des Sich-Selbst-Machens betrifft damit nicht nur das einzelne Selbst- und Weltverhältnis. Die sportiven Subjektivierungspraktiken sind auf besondere Weise in das Geschehen Stadt eingeflochten und so auch Teil der Eigenlogik einer Stadt. Die prozessuale Erzeugung von Spielräumen der urbanen sportiven Praktiken ist immer auch eine möglichkeitsverändernde Re-Produktion städtischer Bewegungsräume - und so letztlich eine Transformation der Stadt selbst. Diese Sportsubjekte sind damit immer auch (spezifische) Stadtsubjekte; ihre Praktiken nicht nur ein Indikator sondern ein Katalysator urbaner Räume.