DFG Graduiertenkolleg 1608 / 1 Selbst-Bildungen. Praktiken der Subjektivierung in historischer und interdisziplinärer Perspektive


Andrea Kirschner

Promotionsprojekt

Selbstbildungspraktiken in Begegnungsräumen der Migration (Arbeitstitel)

Abstract

Seit einigen Jahren boomt ein Markt an Lehrgängen, Fort- und Weiterbildungen für ein ehrenamtliches Engagement als Integrationsbegleiter für MigrantInnen. Vorrangig sind es ebenfalls MigrantInnen, die im Rahmen solcher kommunalen Integrationsprojekte adressiert werden, da sie aufgrund ihrer Erfahrungen und interkulturellen Kompetenzen, ihrer spezifischen „biographischen Ressourcen“, als besonders befähigt angesehen werden, als Brückenbauer, Kulturdolmetscher und Vermittler sowohl zwischen Kulturen als auch zwischen verschiedenen gesellschaftlichen Teilbereichen zu fungieren.

Was für ein migrantisches Mittler-Subjekt bildet sich hier? Wie wird es gemacht und wie macht es sich zugleich? Welche Spannungen hat es auszuhalten und welche (neuen) Möglichkeitsräume vermag es sich zu erschließen? Diesen Fragen geht das Dissertationsprojekt aus einer praxistheoretisch angelegten Perspektive nach. Im Fokus stehen dabei Begegnungsräume der Migration, welche ich in Abgrenzung und Ergänzung zum Dispositiv-Ansatz Foucaults konzeptualisiere.

Unter Begegnungsräumen der Migration sind erstens physische Orte, an denen Akteure leiblich ko-präsent sind, zu verstehen. In einer zweiten Dimension beschreiben sie liminale Räume, welche über unterschiedliche Modi des performativen Hervorbringens und Aushandelns von Unterscheidungen zwischen Eigenem und Fremdem erzeugt werden. In einer dritten Dimension werden Begegnungsräume als relationale Machträume konzeptualisiert, indem sich hier wechselseitige Subjektpositionierungen vollziehen, von denen Zugangs- und Verwertungsmöglichkeiten von kulturellem, sozialem, ökonomischem und biographischem Kapital abhängen.

Aus der Forschungsperspektive einer in historische, gesellschaftliche und kulturelle Kontexte eingebundenen und sich gleichsam mit einem gewissen Eigensinn in diskursiven und körperlichen Praktiken vollziehenden Subjektbildung, wird im Rahmen dieser Studie weder normativ-sozialtechnologisch motiviert nach „optimalen“ Bedingungen, Hindernissen oder Kriterien für eine „gelungene“ Integration gefragt, noch soll eine Einschätzung hinsichtlich des Gelingens oder Scheiterns spezifischer Integrations(begleiter-)Projekte gegeben werden. Vielmehr geht es darum, zu beleuchten, wie Migrantinnen und Migranten mit den an sie über derartige politische Programme und alltägliche ‚Integrations-Praktiken’ herangetragenen Subjektivierungsangeboten und -erwartungen umgehen, wie sie sich selbst wechselseitig zu „Mittlern“ und zu (nicht/integrierten) „MigrantInnen“ machen und welche Subjektpositionen ihnen damit einerseits eröffnet und andererseits versagt werden.