DFG Graduiertenkolleg 1608 / 1 Selbst-Bildungen. Praktiken der Subjektivierung in historischer und interdisziplinärer Perspektive

Julia Noah Munier

Promotionsprojekt

"Diskurse und Praktiken politischer Selbstbildung: Vergeschlechtlichungen und Sexualisierungen in kulturellen Repräsentationen von Nationalsozialismus und italienischem Faschismus"

Abstract

Sexualisierende Deutungsmuster von Nationalsozialismus und italienischem Faschismus umfassen unter anderem Feminisierungen, Homosexualisierungen und Hypersexualisierungen, aber auch Pornografisierungen. Sie finden sich medienübergreifend tradiert und sind im kommunikativen und kulturellen Gedächtnis (A. u. J. Assmann) der so genannten Westlichen Kultur in einer Art Bildreservoir sedimentiert. Als prominente filmische Beispiele hierfür sind Roberto Rossellinis neorealistischer Filmklassiker "Rom, offene Stadt" (1945) und Luchino Viscontis opernhafte Filminszenierung "Die Verdammten" (1969) zu nennen. Sie finden sich ebenso in literarischen Erzählungen, als deren gegenwärtiges Beispiel der in den Feuilletons deutschsprachiger Zeitungen vielbesprochene historische Roman Jonathan Littells "Die Wohlgesinnten" (2006), gelten kann.

Die Dissertation fragt, wie über mediale Verfahren der Vergeschlechtlichung und Sexualisierung, die mit Verfahren der Verräumlichung aufs Engste verknüpft sind, ein diskursives Othering (Spivak) des politischen Anderen, hier des nationalsozialistischen bzw. italienisch-faschistischen Anderen betrieben wird. Im Angesicht eines möglicherweise als "sexuell deviant" zu beschreibenden "konstitutiven Außen" (Derrida) ist die Frage nach den tradierten politischen Selbstbildern und Selbtbildungen, aber auch ihren Verschiebungen eine, die der geplanten Arbeit zugrunde liegt. Konnte und kann sich im Angesicht des politischen Anderen unter Inkaufnahme möglicherweise problematischer Figurierungen ein demokratisches Kollektiv als heteronormatives neu konstituieren?

Die Selbstbildungen werden im Rahmen der Studie in doppelter Hinsicht untersucht. Einerseits im Hinblick auf die filmisch und literarisch tradierten Subjektformen bzw. Antisubjektformen und die von ihnen ausgehenden Subjektbildungsangeboten. Andererseits geraten die textuellen und visuellen Subjektivierungspraktiken der (Film-)Autor_innen in den Blick der Forschung.